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Aktuelles:

Drittes Entlastungspaket der Bundesregierung zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen

08. September 2022

Andre Horn, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Partner, Advisory, Power, Energy & Utilities |
Dr. Christian Hampel, Rechtsanwalt | Partner |

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise hat am 3. September 2022 der Koalitionsausschuss weitere Entlastungsmaßnahmen beschlossen. Die neuen Maßnahmen werden ein Gesamtvolumen von über 65 Mrd. Euro umfassen und sollen sowohl die Bürger als auch die Wirtschaft vor allem von den rasant steigenden Energiekosten entlasten. 

Details zur Umsetzung der Maßnahmen liegen überwiegend noch nicht vor. Ob die Maßnahmen wie geplant umgesetzt werden können, ist noch nicht absehbar. Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses müssen noch den Bundestag sowie den Bundesrat passieren, bevor sie in Kraft treten.

Gleichwohl lassen sich schon einige teilweise gravierende Auswirkungen auf die Unternehmen abschätzen. Hierzu stellen wir Ihnen im Folgenden die geplanten Maßnahmen mit Auswirkung für Unternehmen im Überblick vor.

Als Ergebnis der intensiven Diskussion um eine Übergewinnsteuer will die Koalition keine Steuer einführen, sondern über eine sog. Erlösobergrenze im Strommarktdesign Übergewinne abschöpfen. In Betracht gezogen wird, dass die Abwicklung dabei über die bisherigen Zahlungswege der EEG-Umlage erfolgt. Die Koalition strebt eine Einigung auf EU-Ebene an, will aber notfalls auch in diesem Punkt in Bezug auf den Strommarkt national aktiv werden. Außerdem will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die EU-Kommission entsprechende Maßnahmen auch für Unternehmen außerhalb des Strommarkts entwickelt.

Die Einnahmen aus der Abschöpfung sollen wiederum zur Entlastung privater Verbraucher und kleiner und mittlerer Unternehmen verwendet werden (siehe sogleich).

Anmerkung BDO:

Es bleibt abzuwarten, wie die Abschöpfung in der Praxis ausgestaltet werden soll. Erwähnenswert ist, dass trotz der Finanzierung anderer Maßnahmen durch die Abschöpfung keine Aussage zum zeitlichen Aspekt der Abschöpfung erfolgt ist. Es wird sich zeigen, ob die Regelung bereits rückwirkend Anwendung finden soll.

Für aktuell notwendige Managemententscheidungen, wie zum Beispiel dem Kauf von Windparks, raten wir unseren Mandanten, diesen Aspekt in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Aus Sicht von Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energien bleibt zu hoffen, dass die zusätzlichen administrativen Aufgaben auf ein Mindestmaß begrenzt werden.

 

Die Einnahmen aus der Erlösobergrenze sollen für eine Einführung einer Strompreisbremse für den sog. Basisverbrauch sowie für reduzierte Netzentgelte genutzt werden. 

a) Den Privathaushalten sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Versorgertarif kann so eine gewisse Menge Strom zu einem vergünstigten Preis gutgeschrieben werden (Basisverbrauch). Einzelheiten, wie z.B. der Basisverbrauch definiert wird, stehen aktuell noch nicht fest.

Anmerkung BDO:

Die Abrechnung wird in vielerlei Hinsicht erschwert. Eine vergleichbare Tarifgestaltung ist nicht gebräuchlich. Die Tariflandschaft ist schon heute sehr komplex. Ein Versorger hat heute schon unterschiedliche Netzentgelte im Bundesgebiet und zeitlich befristete Preisgarantien zu regeln. Eine weitere komplexe Anpassung lässt diesbezüglich einen extrem hohen und fehleranfälligen administrativen Aufwand für die Versorgungsunternehmen erwarten. Die Versorgungswirtschaft zweifelt derzeit deshalb zu Recht an der Umsetzbarkeit einer solchen Maßnahme.

b) Aufgrund der hohen Gaspreise werden die sog. Redispatch-Kosten zum 15. Oktober 2022 stark steigen. Redispatch-Kosten fallen für Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen im deutschen Stromnetz an, deren Kosten über die Netzentgelte auf den Strompreis umgelegt werden. Die steigenden Redispatch-Kosten werden daher zu stark steigenden Übertragungsnetzentgelten führen, die ab dem 1. Januar 2023 greifen würden. Die Netzentgelte sind Bestandteil der Strompreise. Um die angekündigte Steigerung der Übertragungsnetzentgelte durch die Redispatch-Kosten zu verhindern, werden die Netzentgelte aus den abgeschöpften Strommarkt-Zufallseinnahmen bezuschusst.
 

Die für den 1. Januar 2023 anstehende Erhöhung des CO2-Preises für fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas um 5 Euro/t wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2024 verschoben. Damit verschieben sich auch die bisher vorgesehenen Erhöhungen für 2024 und 2025 entsprechend um ein Jahr.

Um die energieintensiven Unternehmen angesichts der hohen Preise zu unterstützen, wird der sog. Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern um ein weiteres Jahr verlängert. Damit werden rund 9.000 energieintensive Unternehmen in Höhe von rund 1,7 Mrd. Euro entlastet. Unternehmen, die von diesem Spitzenausgleich profitieren, sollen Maßnahmen ergreifen, um den Verbrauch der Energie zu reduzieren.

Anmerkung BDO:

Nach den bisher vorliegenden Informationen wird sich an dem bekannten Antragsverfahren nichts ändern.


 

Auf Gaslieferungen wird in dem Zeitraum, in dem die neue Gasbeschaffungsumlage erhoben werden soll, nur ein ermäßigter Umsatzsteuersatz angewendet. Hierzu hat das BMF am 5. September 2022 einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem die Umsatzsteuer auf die Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz vom 1. Oktober 2022 bis 31. März 2024 auf 7 Prozent abgesenkt werden soll.

Anmerkung BDO:

Europarechtlich wäre auch eine Absenkung der Umsatzsteuer auf 5 Prozent möglich gewesen.

In jedem Fall ergeben sich für die Gasversorgungsunternehmen durch die befristete Absenkung des Steuersatzes Herausforderungen bei der Umsetzung in der Abrechnungspraxis. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF unmittelbar nach dem Inkrafttreten der geplanten Neuregelungen offene Anwendungsfragen hinsichtlich der Senkung des Umsatzsteuersatzes in einem entsprechenden BMF-Schreiben beantwortet. Denkbar wäre, dass die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 30. Juni 2020 („Umsatzsteuer; Befristete Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Umsatzsteuersatzes zum 1. Juli 2020“) analog Anwendung finden sollen, um spezifische Fragen im Zusammenhang mit der Lieferung von Gas zu beantworten.

Es ist eine Vielzahl an Maßnahmen für Unternehmen geplant, die teilweise neu geschaffen oder modifiziert werden:

  • Es wird ein Programm für energieintensive Unternehmen aufgelegt, die die Steigerung ihrer Energiekosten nicht weitergeben können. Was die im Einzelnen bedeutet und wie es umgesetzt wird, ist bisher noch nicht detailliert bekannt.
  • Zudem sollen Unternehmen bei Investitionen in Effizienz- und Substitutionsmaßnahmen unterstützt werden. Auch hier ist aktuell noch nicht weiter bekannt, was dies im Einzelnen bedeutet und wie diese Maßnahme umgesetzt werden soll.
  • Die bestehenden Hilfsprogramme für Unternehmen werden bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. Dies sind u.a. das KfW-Sonderprogramm UBR, Bund-Länder-Bürgschaftsprogramme, das Energiekostendämpfungsprogramm sowie das Margining-Finanzierungsprogramm. Die Hilfsprogramme werden aber auch erweitert teilweise:
    • Um mehr Unternehmen zu erreichen und den Zugang zu erleichtern, wird beim KfW Sonderprogramm die Haftungsfreistellung verbessert.
    • Das Energiekostendämpfungsprogramm zur Entlastung von besonders energie- und handelsintensiven Unternehmen soll auf weitere Unternehmen, die nicht auf der KUEBLL-Liste stehen, erstreckt werden. Dies soll mithilfe erweiterter Kriterien, die die Belastung durch hohe Energiepreise zur Grundlage haben, erfolgen.
    • Das 100-Mrd.-Euro-Programm der KfW, das Anfang des Jahres dazu konzipiert wurde, Liquidität in den Terminmärkten für Gas sicherzustellen, wird spezifisch auf Elektrizitätsmärkte ausgedehnt. Es soll ermöglichen, zusätzliches zukünftiges Produktionsvolumen schon heute an die Märkte zu bringen und damit die Preise und die Schwankungsbreiten der Preise zu reduzieren.
  • Die Bundesregierung wird zudem prüfen, inwieweit zukunftsfähige Unternehmen stabilisiert werden können, die aufgrund von Gasmangellage bzw. nicht tragfähiger Energiepreise temporär ihre Produktion einstellen müssen.

 

Wir werden die Entwicklungen hinsichtlich der gesetzlichen Neuregelungen weiterhin aufmerksam verfolgen, deren Auswirkungen für unsere Mandanten analysieren und sich daraus ergebende Handlungsfelder und -maßnahmen aufzeigen. 

Neben diesen vor allem für Unternehmen relevanten Punkten hat die Bundesregierung im Rahmen des Pakets weitere Maßnahmen beschlossen, die auch private Haushalte entlasten sollen. Diese hat unser Kooperationspartner BDO für Sie als ergänzende Information in einem Beitrag zusammengestellt.