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Aktuelles:

Aufschlagszahlungen gemäß § 275c Abs. 3 SGB V: BSG schafft Klarheit

24. November 2023

Christiane Brockerhoff, Rechtsanwältin |

Führt eine Abrechnungsprüfung nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages, erhält das Krankenhaus eine Aufwandspauschale (§ 275c Abs. 1 Satz 2 SGB V). Dieser Regelung, die seit dem Jahr 2007 gilt, fügte der Gesetzgeber im Rahmen des „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen“ (MDK- Reformgesetz) eine Verpflichtung der Krankenhäuser zur Zahlung eines Aufschlags hinzu, der dann zu zahlen ist, wenn der Anteil unbeanstandeter Rechnungen eine bestimmte Quote unterschreitet. Mit dieser Regelung in § 275c Abs. 3 SGB V wollte der Gesetzgeber einen Anreiz für die Krankenhäuser zu regelkonformer Rechnungsstellung setzen. Zunächst war ein Inkrafttreten zum 01.01.2021 geplant. Dann sollte die Regelung sogar nach 2020 vorgezogen werden. Pandemiebedingt trat die Regelung schlussendlich am 01.01.2022 in Kraft.

Aufschlag zu Lasten der Krankenhäuser

Kommt es zu einer Abrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst und einem daraufhin geminderten Rechnungsbetrag, ist das Krankenhaus gemäß § 275c Abs. 3 SGB V gegenüber der Krankenkasse zur Zahlung eines Aufschlags verpflichtet. Die Höhe des Aufschlags richtet sich nach der Quote unbeanstandeter Rechnungen und wird von der Differenz zwischen dem ursprünglichen (zu hohen) Rechnungsbetrag und dem geminderten Rechnungsbetrag erhoben. Liegt der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen zwischen 40 % und unterhalb von 60 %, beträgt der Aufschlag 25 % der genannten Differenz. Bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 40 % kommt es zu einem Aufschlag in Höhe von 50 % des Differenzbetrages; dies gilt auch in Fällen des begründeten Verdachts einer systematisch überhöhten Abrechnung. Des Weiteren hat der Gesetzgeber die Höhe des Aufschlags sowohl nach unten als auch nach oben hin begrenzt. D. h. der Aufschlag beträgt mindestens 300 € und höchstens 10 % des geminderten Abrechnungsbetrages.

Ursprünglich war geregelt, dass der vom Krankenhaus zu zahlende Aufschlag seitens der Krankenkasse mittels Verwaltungsakt geltend zu machen war. Diese Bestimmung wurde durch das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz vom 20.12.2022 gekippt, um das Verfahren zu vereinfachen. Die Geltendmachung des Aufschlags erfolgt seitdem im Wege elektronischer Datenübertragung; Näheres hierzu haben der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in der AUF-VB vom 14.03.2023 miteinander vereinbart (§ 275 c Abs. 3 Satz 4 SGB V).

Von Beginn an stritten die Beteiligten über die Frage, ob der Aufschlag auch abgeschlossene Behandlungsfälle aus 2020 und 2021 erfasst, sofern die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse im Jahr 2022 erfolgt. Dazu hat das Bundessozialgericht (BSG) vor kurzem in 3 Fällen eine wichtige Entscheidung getroffen (Urteile vom 19.10.2023, Az. B 1 KR 8/23 R, B 1 KR 9/23 R und B 1 KR 11/23 R) und die Position der Krankenhäuser damit gestärkt (Anm.: Bei Redaktionsschluss lag lediglich der Terminbericht vor, d. h. die Entscheidungsgründe wurden noch nicht veröffentlicht).

Die Fälle

Im ersten der 3 Fälle (Az. B 1 KL 8/23 R) ging es um eine Krankenhausbehandlung aus dem Jahr 2020. Hier hatte die Krankenkasse die in Rechnung gestellte Vergütung zunächst gezahlt und den Medizinischen Dienst im Dezember 2020 mit einer Abrechnungsprüfung beauftragt. Das Gutachten des Medizinischen Dienstes erfolgte im Februar 2022. Darin gelangte der Medizinischen Dienst zu dem Ergebnis, dass das Krankenhaus einen geringeren Betrag hätte abbrechen müssen. Das Krankenhaus akzeptierte den Erstattungsanspruch und korrigierte die Abrechnung. Daraufhin setzte die Krankenkasse gegen das Krankenhaus eine Aufschlagszahlung in Höhe von 300 € fest. Den seitens des Krankenhauses erhobenen Widerspruch wies die Krankenkasse zurück. Doch die vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil vom 12.01.2023, Az. S 30 KR 1356/22 KH).

Eine ähnliche Gestaltung lag dem Fall zum Az. B 1 KR 9/23 R zugrunde. Dort ging es um eine stationäre Krankenhausbehandlung im Jahr 2021. Auch in diesem Fall zahlte die Krankenkasse die in Rechnung gestellte Vergütung zunächst und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst im März 2021 mit einer Abrechnungsprüfung. Das Gutachten erstellte der Medizinische Dienst unter dem 18.01.2022. Wie im vorangegangenen Fall gelangte dieser zu dem Ergebnis, dass der Abrechnungsbetrag aufgrund einer unzutreffenden Kodierung nach unten zu korrigieren sei. Das Krankenhaus akzeptierte, woraufhin die Krankenkasse gegen das Krankenhaus eine Aufschlagszahlung in Höhe von 300 € festsetzte. Nach erfolglosem Widerspruch zog auch hier das Krankenhaus vor das Sozialgericht Düsseldorf und obsiegte (Urteil vom 12.01.2023, Az. S 30 KR 1413/22).

Weniger Glück war dem Krankenhaus im dritten Fall zunächst beschieden (Az. B 1 KR 11/22 R). Strittig waren auch dort die Krankenhausbehandlungskosten für einen stationären Aufenthalt im Jahr 2021. Die Krankenkasse hatte – wie in den beiden vorangegangenen Fällen – die in Rechnung gestellten Leistungen zunächst vollumfänglich vergütet und noch im Jahr 2021 den Medizinischen Dienst mit einer Abrechnungsprüfung beauftragt. Das Gutachten erstellte der Medizinischen Dienst erst im April 2022. Er gelangte auch dort zu dem Ergebnis, dass der Abrechnungsbetrag zu korrigieren sei. Das Krankenhaus akzeptierte den daraufhin von der Krankenkasse geltend gemachten Erstattungsanspruch und änderte die Abrechnung entsprechend. Es folgte die Festsetzung einer Aufschlagszahlung in Höhe von 300 € durch die Krankenkasse, gegen die das Krankenhaus Widerspruch einlegte. Dieser blieb ohne Erfolg – ebenso wie die daraufhin vor dem Sozialgericht Kassel erhobene Klage (Urteil vom 27.03.2023, Az. S 14 KR 221/22). Denn – anders als das Sozialgericht Düsseldorf – vertrat das SG Kassel die Ansicht, dass § 275c Abs. 3 SGB V auf alle nach den 01.01.2022 abgeschlossenen Prüffälle anwendbar sei, soweit die Aufnahme im Krankenhaus ab dem 01.01.2020 erfolgt sei.

Die Entscheidungen

In allen 3 Fällen gelangte das Bundessozialgericht zu dem Ergebnis, dass die Erhebung der Aufschlagszahlung materiell zu Unrecht erfolgt war. Das dem Wortlaut der Regelung des § 275c Abs. 3 Satz 1 SGB V zu entnehmende Tatbestandsmerkmal „ab dem Jahr 2022“ knüpfe - entgegen der Auffassung der Krankenkasse – nicht an das Datum der leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse an, sondern an den Zeitpunkt der Einleitung der Rechnungsprüfung, der sich nach außen durch die Beauftragung des Medizinischen Dienstes manifestiere, so das Gericht. Und dieser Zeitpunkt habe (in allen 3 Fällen) vor dem 01.01.2022 gelegen.

Ein solches Verständnis der Norm folge nicht nur aus systematischen Gründen (Zusammenhang zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Aufschlagszahlung), sondern stehe auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Regelung.

Fazit

Die Argumentation des Bundessozialgerichts ist klar und ohne weiteres nachvollziehbar. Immerhin hatte der Gesetzgeber den Beginn der quartalsbezogenen Prüfquote und der Aufschlagszahlungen auf 2022 verschoben und dies mit den pandemiebedingten Belastungen und Liquiditätsengpässen der Krankenhäuser begründet. Diesem Zweck würde eine nachträgliche Erhebung von Aufschlägen für vor dem 01.01.2022 begonnene Prüfungen von Rechnungen der Jahre 2020 und 2021 völlig zuwiderlaufen.