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Aktuelles:

Brexit & Arbeits-/Sozialversicherungsrecht: Handlungsbedarf prüfen

02. November 2020

Dr. Christina Schön, Rechtsanwältin | Fachanwältin für Arbeitsrecht | Partnerin |
Andrea Wenzel, Rechtsanwältin | Europajuristin (Würzburg) |

SOZIALVERSICHERUNGSRECHT

Nach dem Austritt aus der EU und dem Ablauf des im Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (UK) und der EU vereinbarten Übergangszeitraums (31.12.2020) gelten für grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze in und aus UK die für die Bestimmung des anwendbaren Sozialversicherungsrechts maßgeblichen EU-Verordnungen (VO) 883/2004 und 987/2009 (EU-VOen) grundsätzlich nicht mehr.

SONDERREGELUNGEN FÜR DIE ZEIT AB DEM 01.01.2021 (ALTFÄLLE) – HANDLUNGSBEDARF NOCH VOR DEM JAHRESWECHSEL PRÜFEN!

Nach §§ 30, 31 des o.g. Austrittsabkommens gelten für bestimmte Personengruppen und bestimmte Konstellationen die EU-VOen weiter und zwar solange sich diese Personen ununterbrochen in den dort aufgeführten Situationen befinden. Erfasst sind insoweit z.B. EUBürger, die am Ende des Übergangszeitraums (31.12.2020) in UK eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausüben und nach den EU-VOen dem Sozialversicherungsrecht eines EU-Staates unterliegen oder Briten, die in einem EU-Staat einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nachgehen und nach den EU-VOen dem Sozialversicherungsrecht von UK unterfallen.

Eindeutig ist diese Übergangsregelung jedenfalls für Fälle von Entsendungen, die nach den EU-VOen ohnehin auf max. 24 Monate zeitlich begrenzt sind. Für die Dauer der Entsendung - auch über den 31.12.2020 hinaus - würde es bei der Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts des Entsendestaats bleiben, sofern die Entsendung vor Ablauf dieses Jahres begonnen hat. Nach Rücksprache mit der zuständigen deutschen Behörde, der Deutschen Verbindungsstelle Krankenkasse Ausland (DVKA), gilt dies aber auch uneingeschränkt für eine Mehrfachbeschäftigung (d.h. Arbeitnehmer, die regelmäßig eine Beschäftigung in Deutschland und UK ausüben), sofern diese vor dem 31.12.2020 begonnen hat und ununterbrochen fortdauert, und das, obwohl eine Mehrfachbeschäftigung keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt. Ebenfalls erfasst sind Ausnahmevereinbarungen, soweit deren Voraussetzungen bereits vor dem 31.12.2020 vorlagen.

Im Einzelfall kann es daher sinnvoll sein, einen für 2021 geplanten Auslandseinsatz zeitlich vorzuziehen und die entsprechenden Anträge bereits vor Ablauf dieses Jahres zu stellen. Hierbei können wir Sie gerne umfassend beraten und unterstützen.

RECHTSLAGE AB DEM 01.01.2021 (NEUFÄLLE)

Ungeklärt ist allerdings nach wie vor, welche Regelungen ab dem 01.01.2021 gelten, wenn keine der vorgenannten Sonderregelungen eingreift.

Denkbar wäre ein Verbleib von UK im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bzw. ein erneuter Beitritt. Dann würden die EU-VOen zur sozialen Sicherheit in UK weiterhin – wie in allen EWR-Staaten – gelten. Allerdings sind die Einzelheiten der Möglichkeiten des Verbleibs / Beitritts rechtlich umstritten.

UK hätte außerdem die Möglichkeit, ähnlich wie die Schweiz, mit der EU ein eigenes Abkommen über Personenfreizügigkeit zu schließen, mit dem die EU-VOen ebenfalls für anwendbar erklärt werden.

Sollte keine der genannten Alternativen umgesetzt werden, wäre aller Voraussicht nach das Abkommen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich über soziale Sicherheit von 1960 anzuwenden, wobei auch dies umstritten ist. Dieses Abkommen enthält ähnliche Regelungen wie die EU-VOen, allerdings keine Ausnahme für Mehrfachbeschäftigungen. Wenn weder eine Entsendung noch eine Ausnahmevereinbarung in Betracht kommen, ist nach dem Grundsatz des Territorialitätsprinzips je nachdem, wo die Tätigkeit ausgeübt wird, entweder das deutsche oder jeweilige nationale Recht Großbritanniens bzw. Nordirlands anzuwenden. Allerdings ist das vorgenannte Abkommen in seinem Anwendungsbereich nicht deckungsgleich mit den EU-VOen und umfasst z.B. weder Arbeitslosennoch Pflegeversicherung, sodass für die nicht vom Abkommen erfassten Sozialversicherungszweige theoretisch Doppelversicherungen möglich sind.

Wir beobachten für Sie die Entwicklungen weiterhin kritisch und stellen bei Bedarf auch Kontakt zu lokalen Ansprechpartnern von BDO UK her.

ARBEITSRECHT

Die Frage, welches Arbeitsrecht anzuwenden ist, regelt das jeweilige internationale Privatrecht eines Landes, das in allen europäischen Ländern auf der Europäischen „ROM I VO“ aufbaut, so dass hier insoweit einheitliche Grundsätze gelten. Danach ist grundsätzlich das Recht des „gewöhnlichen Arbeitsortes“ maßgebend. Ausnahmen bestehen bei lediglich vorübergehenden Tätigkeiten in einem anderen Staat (z.B. im Rahmen einer Entsendung) sowie in Fällen, in denen engere Beziehungen zu einem anderen Staat als dem Staat des gewöhnlichen Arbeitsortes bestehen. Darüber hinaus sind Rechtswahlklauseln in Arbeitsverträgen nur sehr eingeschränkt zulässig, da sie nicht dazu führen dürfen, dass der Schutz zwingender Bestimmungen des ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts entzogen wird.

Nach dem Brexit wird immer dann, wenn in Deutschland ein Gerichtsstand begründet ist, von deutschen Gerichten unverändert die ROM I VO anzuwenden sein, so dass sich die Frage des anwendbaren Rechts weiterhin nach den zuvor geschilderten Grundsätzen richtet. Nach dem Brexit ist die ROM I VO in UK selbst allerdings nicht mehr anwendbar. Die Rechtslage ist dann – wie bei jedem anderen Drittstaat auch - nach dem dortigen jeweiligen nationalen Recht zu beurteilen.

Wir sind durch das globale BDO Netzwerks jederzeit in der Lage, Ihre Fragen zur Rechtslage in UK zu klären und kompetente lokale Ansprechpartner einzubinden.