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Aktuelles:

Überblick zur neuen elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („eAU“) aus arbeitsrechtlicher Sicht

16. Februar 2023

Dr. Franziska Hügel-Spohnheimer, Rechtsanwältin | Fachanwältin für Arbeitsrecht | Partnerin |
Danny Sassek, Rechtsanwalt |

Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 wurde – nach wiederholter Verschiebung des Inkrafttretens der Änderungen - die sogenannte elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) eingeführt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in ihrer bisherigen (Papier)form hat für den Großteil der Arbeitnehmer ausgedient. Arbeitgeber müssen sich an die neuen Rahmenbedingungen bei der Meldung und dem Abruf von Arbeitsunfähigkeitsdaten gewöhnen.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Bislang war es so, dass Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsunfähigkeit verpflichtet waren, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (sog. Melde- oder MItteilungspflicht). Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf Krankheit oder Unfall und dauert diese länger als drei Kalendertage – ggf. modifiziert durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag –, sind Arbeitnehmer bislang verpflichtet, den Nachweis durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung zu erbringen (sog. Nachweis- oder Vorlagepflicht).

Seit dem 1. Januar 2023 sind Arbeitnehmer, die Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, nicht mehr verpflichtet, ihrem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen. Anstelle der bisherigen Vorlagepflicht ist es nach § 5 Abs. 1a S. 2 EFZG – soweit dieser einschlägig ist - ausreichend, sich zu den in § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 EFZG genannten Zeitpunkten einem Arzt vorzustellen, von diesem das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und eine ordnungsgemäß ausgestellte, d.h. insbesondere schriftliche, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aushändigen zu lassen. Diese Papierbescheinigung bleibt dem Arbeitnehmer lediglich erhalten, um z.B. in Störfällen (etwa einer fehlgeschlagenen Übermittlung im elektronischen Verfahren oder wenn der Arzt Daten verspätet oder an die falsche Krankenkasse übermittelt) das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung nachweisen zu können. Das EFZG sieht jedoch keine Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform bei einer abruffähigen Fehlzeit vor.

Der neue Ablauf sieht also so aus, dass die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte verpflichtet sind, die von ihnen festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten aufzuzeichnen und an die zuständigen Krankenkassen zu übermitteln. Die Krankenkassen haben nach Eingang der vom Arzt übermittelten Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen. Der Arbeitgeber ruft sodann die elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung ab.

Die Meldung der Krankenkasse enthält unter anderem folgende Daten: den Namen des Beschäftigten, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die Kennzeichnung als Erst‐ oder Folgemeldung. Nicht übermittelt werden der Name und die Fachrichtung des feststellenden Arztes. Dies ist aus Arbeitgebersicht bedauernswert, da hierdurch Informationen entfallen, die Arbeitgeber in Einzelfällen zur Begründung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit oder als Anlass für die Einbindung des Medizinischen Dienstes dienen konnten.

Unberührt von der gesetzlichen Neuregelung bleibt die Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG. Arbeitnehmer sind weiterhin verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht gewinnt nach Einführung der eAU an Bedeutung. Denn der Arbeitgeber darf die elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse nur abrufen, wenn er zum Empfang der Daten berechtigt ist. Diese Berechtigung ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer für die beantragten Zeiten bei dem antragstellenden Arbeitgeber beschäftigt war und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorab über die abzurufende Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informiert hat. Ein pauschaler oder regelmäßiger Abruf ist hingegen nicht zulässig.

In bestimmten Fallkonstellationen verbleibt es bei dem bisherigen Prozess, d.h. in diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer weiterhin ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorlegen. Dies betrifft

  • Arbeitnehmer, die Versicherte einer privaten Krankenkasse sind,
  • Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben, sowie
  • Fälle, in denen die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt festgestellt wird, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (Privatarzt oder Arzt im Ausland).

Es lässt sich unseres Erachtens vertretbar annehmen, dass die bisherigen Regelungen in Arbeitsverträgen, die eine Pflicht zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen enthalten, so ausgelegt werden können, dass Arbeitnehmer nunmehr (nur) verpflichtet sind, zu den Zeitpunkten einen Arzt aufzusuchen und ihre Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, zu denen nach der arbeitsvertraglichen Regelung eine Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht. Ob die Rechtsprechung diese Auslegung grundsätzlich billigt, bleibt abzuwarten.

Neue Arbeitsverträge bzw. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge sollten die neue Rechtslage abbilden. Dies insbesondere dann, wenn Zeitpunkte für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit festgelegt werden sollen, die vom Gesetz abweichen. Arbeitgeber können mit Arbeitnehmern hingegen nicht wirksam vereinbaren, dass Arbeitnehmer auch nach der Einführung der eAU Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (in Papierform) vorzulegen haben. Bei der Formulierung ist darauf zu achten, die Regelungen so zu gestalten, dass sämtliche Arbeitnehmergruppen (insbesondere privat und gesetzlich Versicherte) kumulativ abgebildet werden.

Die Einführung der eAU ist eine gesetzliche Pflicht, die allenfalls kleine Spielräume für Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG, insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 1 (Ordnungsverhalten), Nr. 6 (Überwachungsmöglichkeiten durch IT-Systeme), Nr. 7 (Gesundheitsschutz) eröffnet. Falls Arbeitgeber lediglich die gesetzlichen Vorgaben umsetzen, ist kein Raum für eine Mitbestimmung. Macht der Arbeitgeber kollektiv von der Möglichkeit Gebrauch, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (bzw. die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung) früher zu verlangen, als dies in § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG vorgesehen ist, ist jedenfalls das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten. In der Praxis ist es zudem ratsam, bestehende Regelungen, die Einfluss auf die eAU haben (z.B. Betriebsvereinbarungen zu HR-Systemen oder zum Krankmeldungsprozess) zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.


Fazit

Arbeitgeber müssen sich auf zwei parallele Verfahren zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit einrichten und die bestehenden Regelungen hierzu überprüfen. Sofern noch nicht erfolgt, sollten sich Personal- und Payrollabteilungen sehr zeitnah an die veränderten Vorgaben und die Voraussetzungen für den Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten vertraut machen und entsprechende Prozesse etablieren. Hierbei ist insbesondere auch auf die Wahrung datenschutzrechtlicher Vorgaben (z.B. Zeitpunkt des Abrufs) zu achten. Zudem muss die neue Rechtslage jedenfalls bei Neuabschluss von Arbeitsverträgen, kollektiven Vereinbarungen (Betriebsvereinbarung/Tarifvertrag) sowie sonstigen internen Handlungsanweisungen und Richtlinien berücksichtigt werden.

Gerne unterstützen wir Sie hierbei. Sprechen Sie uns gerne an.